Industry Groove – Woche 7

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2023 dürfte ein wegweisendes Jahr werden für TikTok. Es wird sich zeigen, ob sie ihre Reichweite und ihren kulturellen Impact weiter ausbauen können oder, wie nicht gerade wenige Artikel bereits herbeischrieben, sie ihren Peak erreicht haben. Zudem droht permanent die Sperrung in den USA und dieses Jahr wird sich wohl endgültig zeigen, ob diese Realität wird oder nur der Nebeneffekt eines neuen Kalten Krieges war. Weiter wird sich herauskristallisieren, ob eine Einigung mit der Musikindustrie zustande kommt, was auch die Grundlage wäre für eine Expansion ihres Streamingdienstes Resso. Apropos Streamingdienste: Dan Runcie ist der Meinung, die Majors sollten ihre eigenen betreiben. Ich eher nicht.


Braucht TikTok die Musikindustrie – oder umgekehrt?

  • Bei den Verhandlungen zwischen TikTok und der Musikindustrie ist dies die alles entscheidende Frage. Braucht TikTok die Musik, um User anzuziehen oder die Labels TikTok, um Hits zu lancieren? Beides natürlich, doch wer braucht den anderen mehr?
  • Daher werden alle sehr genau beobachten, welchen Einfluss die Entfernung von Major-Label-Content in Australien für Auswirkungen hat.
  • Der Artikel zeigt jedoch, dass Hits schon jetzt nicht mehr die wichtigste Quelle sind, sondern auch vermehrt Royalty-Free-Sounds und andere Ressourcen genutzt werden.
  • Unter dem Strich sei eine Social-App wie TikTok viel weniger auf Major-Label-Content angewiesen als die DSPs.
  • Für die Labels sei hingegen Non-DSP-Streaming eine wachsende Einnahmequelle und hinzu kommt natürlich die Marketingpower von TikTok und weiteren Anbietern.
  • Das Seilziehen geht also weiter, hoffentlich mit einem Resultat von dem auch die Musiker*innen profitieren.

Wird TikTok eine Paywall einführen?

  • Bleiben wir gleich bei TikTok. So wichtig die Plattform auch geworden ist, so sind sich doch praktisch alle einig, dass man mit ihr höchstens indirekt einen finanziellen Nutzen hat. Daher sind die Verhandlungen der Musikindustrie auch so wichtig. Und aus demselben Grund, ist diese Meldung interessant.
  • Bei TikTok fließt immer mehr Geld nämlich direkt von den Usern zu den Creatorn, das sogenannte Tipping aka Trinkgeld.
  • Gerüchten zufolge soll nun eine weitere Möglichkeit hinzukommen nämlich eine Paywall, mit der man ausgewählte Videos hinter die Bezahlschranke setzen kann.
  • Dies ist etwas, welches manche (u.a. ich) auch schon länger fordern für die DSPs. Es muss generell mehr Möglichkeiten für die Creator (also die Musiker*innen) geben, um ihren Content und ihre Superfans zu monetarisieren.
  • Music.Ally sieht dies also eine Chance für TikTok, sollte es ihnen gelingen mit ihrem Streamingdienst Resso aggressiv zu expandieren.

The last hurrah of the mainstream era

  • Über den Auftritt von Rihanna am Super Bowl wurde viel geschrieben, für Tatiana Cirisano von MIDiA war es vor allem das letzte Aufbäumen der Mainstream Ära.
  • Zuletzt haben sich viele Superstars aus der Zeit von 2000-2010 nach meist längeren Pausen zurückgemeldet (Beyoncé, Adele, Kendrick, SZA und nun eben auch Rihanna). Sie profitieren davon sich ihr Publikum noch in einer ganz anderen Zeit erspielt zu haben.
  • Heutige Artists tun sich schwer damit den Durchbruch zu schaffen und wenn es ihnen doch gelingt, können sie sich kaum so lange Pausen erlauben, wie sich nun eben Adele oder Rihanna genommen haben.
  • Tatiana Cirisano begründet dies so, dass es heute kaum noch Hits gibt, auf die sich alle einigen können und viel eher Hits für Nischen.
  • Sie glaubt auch, dass sich zukünftig viel mehr in Nischen entwickeln wird, nicht nur der Konsum, sondern auch z.B. Festivals. Die klassischen Superstars, wie wir sie heute noch kennen, werden zunehmend verschwinden.

Signen Labels zu viele Artists?

  • In eine ähnliche Richtung geht der Artikel von Billboard der zeigt, dass 2001 – 2004 noch im Schnitt 30 Acts erstmals die Billboard Top 100 erreichten. 2022 waren es gerade mal noch 12.
  • Immer weniger Acts schaffen es also wirklich in den Mainstream und dies obwohl Labels so viele Acts signen wie nie zuvor.
  • Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Major-Mitarbeiter*innen, dass so viele Artists gesignt wurden, dass die Labels diesen gar nicht mehr den benötigten Service anbieten können. Es wurden nämlich nicht genügend neue Leute eingestellt, um all die neuen Künstler*innen zu begleiten.
  • Momentan seien z.B. die Product Manager völlig überfordert, da sie sich um viel zu viele Acts aufs Mal kümmern müssen. Ähnlich soll es in den Marketingabteilungen aussehen.
  • Die vielen Signings der Majors sind wohl auch ein etwas ungelenker Versuch gegen ihre sinkenden Marktanteile anzukämpfen.

Sollten die Majors ihre eigenen Streamingdienste betreiben?

  • Auch Trapital nimmt sich dem Thema des neuen Streaming-Modells an und bringt nochmals einen völlig neuen Blickwinkel ein. Dan Runcie findet nämlich, die Majors sollten ihre eigenen DSPs aufbauen / einkaufen.
  • Er argumentiert, dass die Majors früher den profitablen Bereich betrieben und auch Macht über den weniger profitablen Teil hatten. Diese Macht hätten sie nun eingebüßt.
  • Natürlich würde ein eigener DSP viele Ressourcen benötigen, für Runcie würde sich dies jedoch auszahlen und die Labels könnten ihren Premium-Content in den Vordergrund stellen.
  • Runcie glaubt auch, dass die Majors mit einem eigenen DSP ihren Artists einen Mehrwert bieten könnten.
  • Da es ein großer Aufwand ist einen Streamingdienst von Grund auf aufzuziehen, könnte er sich auch die Übernahme von Tidal, SoundCloud oder Audiomack vorstellen.
  • Ein interessanter, wenn natürlich auch kontroverser Vorschlag. Man darf durchaus leichte Zweifel haben, wie groß der Mehrwert für die Artists unter dem Strich wäre und wie wünschenswert es ist, wenn die drei Riesen auch in diesem Bereich noch führend werden.

Wie die Algorithmen unser Hörverhalten beeinflussen

  • Dass die Algorithmen beeinflussen, wie wir Musik konsumieren, ist unbestritten. Eine britische Studie wollte es nun aber genauer wissen und herausfinden, wie groß der Einfluss effektiv ist.
  • Die Studie findet weder Beweise dafür noch dagegen, dass bestimmte Gruppen gegenüber anderen bevorzugt werden von den Algorithmen. Was aber eigentlich viel wichtiger ist: die User glauben, dass es so ist. Hier haben die DSPs also ganz klar ein Vertrauensproblem.
  • Ebenfalls kommen die Algorithmen weniger zum Einsatz als viele womöglich denken. Rund 70% aller Streams sind „nutzergesteuert“ und nur etwa 30% vom Algorithmus gelenkt.
  • Der letzte Punkt ist weniger schön: egal welches Geschlecht der User hat, die Empfehlungen bevorzugen mehrheitlich weiße, männliche Artists. Dies müsste definitiv noch genauer untersucht werden.

Bonus Reads

  • Ich hatte die Zahl von 100.000 hochgeladenen Tracks pro Tag immer angezweifelt. Zum selben Ergebnis kommt nun auch ein Artikel des Billboard Magazins (hinter der Bezahlschranke). Viel realistischer seien in etwa 49.000 Tracks täglich – was natürlich immer noch verflucht viel ist.
  • Pünktlich zu Rihannas Super Bowl Auftritt hat einer der Producer von „Bitch Better Have My Money“ einen Teil seines Anteils an den Master Rights als NFT gedropt. Wieso es lange dauern wird, bis man nur schon das Investment eingespielt hat, zeigt dieser Artikel. Dass dies häufig der Fall ist, habe ich hier bereits dargelegt.
  • Als Snoop Dogg Death Row kaufte, wollte er darauf ein NFT-Label machen. Konsequenterweise entfernte er daher die Death-Row-Releases von den DSPs. Bald wird man sie jedoch wieder streamen können. Bevor es aber soweit ist, hat Snoop die Death-Row-Mucke exklusiv für eine Woche an TikTok gegeben. Dies ist zudem das erste große Catalog-Reiussue über SoundOn und man kann wohl darauf wetten, dass weitere kommen werden und womöglich auch weitere Exklusivdeals.
  • Es ist, vorsichtig ausgedrückt, etwas Bewegung gekommen in die Diskussion um ein neues Streaming-Modell. Deezer will, wie seit Jahren schon, weiterhin das User-Centric-Modell einführen, wie ihr CEO Jeronimo Folgueira in diesem Interview erklärt. Sicher ist für ihn, dass Pro-Rata keine Zukunft hat. Da dürfte er wohl recht behalten.
  • Wer Kinder hat oder häufig Musik zum Einschlafen oder Workout hört, kenn das vielleicht: Spotify schlägt einem viel Musik vor, die man eigentlich nicht hören will. By popular demand hat Spotify nun reagiert und man kann neu manuell Playlisten von seinem „Taste Profile“ entfernen, so dass diese keinen Einfluss mehr haben auf die Empfehlungen. Das fällt definitiv in die Kategorie nice to have, viele werden aber froh sein darüber (falls sie es denn überhaupt mitbekommen).
  • Die südkoreanische Firma Hybe ist bekannt für ihre K-Pop Releases, etwa von BTS. Doch ihre Ambitionen sind grösser. Dies zeigt u.a. der Kauf des US-HipHop-Labels Quality Control (Lil Baby, Migos, Lil Yachty) für stolze 320 Millionen USD.
  • Ein hübsches Sümmchen eingestrichen hat auch eine Schweizer Firma nämlich MusicBird. MusicBird will im Wettbewerb um Songrechte mitmischen und hat dafür eine Finanzspritze von 100 Millionen Dollar erhalten. Bereits jetzt hat MusicBird Songs von u.a. Shaggy im Repertoire.
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