Industry Groove – Woche 30

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Ich war diese Woche zwei Tage krank (ohhh) und deshalb fällt der Newsletter etwas kürzer aus. Der Fokus liegt dabei ganz auf Spotify. Der Streaming-Gigant hat nämlich nicht nur die Zahlen des zweiten Quartals veröffentlicht, sondern auch – ich wage kaum es hinzuschreiben – die Preise in über 50 Märkten erhöht. Kann mich bitte jemand kneifen? Ich träume doch nicht, oder? Diese Erhöhung ist natürlich mehr als überfällig und für sich betrachtet auch keine Revolution, aber trotzdem ein wichtiges Zeichen. Es besteht also durchaus die Chance, dass es zum Konsens wird, dass die wichtigen DSPs kontinuierlich ihre Preise anpassen und somit natürlich mehr Einnahmen für Musiker*innen generieren. Momentan kompensieren die vorsichtigen Erhöhungen freilich nicht einmal die Inflation und man kann sich fragen, ob leicht steigende Mehreinnahmen ein angeschlagenes System noch retten können. Berechtigte Einwände, aber freuen wir uns einfach mal an diesem kleinen, aber nicht ganz unwichtigen Schritt.


Spotify erhöht endlich die Preise

  • Lange Zeit hat Spotify nur sehr selektiv die Preise erhöht und ansonsten von der Seitenlinie aus zugeschaut, wie die Konkurrenz, zuletzt auch YouTube Music, die Preise leicht nach oben angepasst hat. Ich hatte erwartet, dass Spotify ihr „Supremium“-Abo einführt und in diesem Zusammenhang die gesamte Preisstruktur anpasst, aber es kam nun anders.
  • Der Marktführer belässt vorerst seine Abonnements wie sie sind, passt jedoch deren Preise in 53 Märkten, einschließlich der USA, endlich an. Zwölf lange Jahre war der Preis in den USA unverändert geblieben.
  • In den deutschsprachigen Ländern steigt der Preis vorerst nur in Österreich, während er in Deutschland und der Schweiz gleich bleibt. Dass der Preis in Deutschland nicht steigt, ist durchaus bemerkenswert, da er in Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Portugal und den skandinavischen Ländern durchweg angehoben wird.
  • Warum sollten sich Musiker*innen darüber freuen, dass ihre Fans mehr bezahlen müssen? Natürlich, weil dadurch mehr Geld zur Verfügung steht, das verteilt werden kann. Wie viel hat MBW in etwa kalkuliert.

Spotify hat deutlich mehr User, verdient aber immer weniger an diesen

  • Einen Tag nach der Preiserhöhung gab Spotify die Zahlen für das zweite Quartal 2023 bekannt. Diese sehen auf den ersten Blick vielversprechend aus, auf den zweiten ein bisschen weniger…
  • Konzentrieren wir uns zunächst auf die Userzahlen: Spotify hat nun 220 Millionen Premium-Abonnent*innen, das sind 10 Millionen oder 5% mehr als im letzten Quartal und 32 Millionen bzw. 17% mehr als vor einem Jahr.
  • Die monatlich aktiven User (MAU) belaufen sich auf 551 Millionen, das entspricht 36 Millionen oder 7% mehr als im Q1 2023 und 118 Millionen respektive 27% mehr als im Vorjahr.
  • Besonders stark gewachsen sind die Ad-Supported MAUs, nämlich um satte 34% auf 343 Millionen.
  • Allgemein bezeichnet Spotify das Wachstum als das bislang stärkste ihrer Geschichte und man konnte die Vorhersagen deutlich übertreffen. Das ist also durchaus erfreulich.
  • Sehen wir uns nun die Finanzzahlen an: Die Premium-Abonnenten steuerten 2,77 Milliarden Euro zu den Quartalsumsätzen bei, zusätzliche 247 Millionen Euro kamen durch die Werbeeinnahmen hinzu.
  • Nun zu dem, was negativ ins Gewicht fällt: Spotify kann zwar seine Nutzerzahl steigern, verdient jedoch im Schnitt pro User stetig weniger. Der „Average Revenue per User“ sank im Jahresvergleich um 6% und liegt nun bei 4,27 Euro. Im ersten Quartal 2023 waren es noch 4,32 Euro. Durch die Preiserhöhungen dürfte dieser Wert bald merklich ansteigen.
  • Trotz oder gerade wegen (Stichwort Abfindungen) zahlreicher Entlassungen bleibt unter dem Strich ein Verlust von 247 Millionen Euro. Das ist deutlich mehr als im selben Quartal des Vorjahres (125 Millionen) sowie im ersten Quartal dieses Jahres (156 Millionen).
  • Wie so oft zeigt sich also ein durchwachsenes Bild. Legt man den Fokus ausschließlich auf die Steigerung der Nutzerzahlen, kann man sicherlich zufrieden sein. Schaut man jedoch, wie viel Umsatz diese bringen, wird man mit stetig sinkenden Zahlen konfrontiert.
  • Trotz der Preiserhöhungen und des rekordhohen Nutzerzuwachses sank der Preis der Spotify-Aktie merklich.

Twitter ist jetzt X und auf TikTok kann man nun auch Texte posten

  • Immer wenn man glaubt, Elon Musk könnte es bei Twitter nicht noch bunter treiben, kommt der nächste Hammer. Nun hat er offenbar beschlossen, den Brand Twitter zu beerdigen und die Plattform neu X zu nennen. Ich enthalte mich eines Kommentars und zitiere: “Eine sofort erkennbare Farbpalette, ein weltweit bekanntes Logo und Markenverben wie ‚tweeten‘ haben sich in den Zeitgeist der Populärkultur eingeprägt. All dies wurde über Nacht zerstört. Dies ist vielleicht das schlimmste Rebranding der letzten Jahre und wird sicherlich eine Fallstudie für Designstudenten in den kommenden Jahren sein.“
  • Die Konkurrenz nutzt die selbstverschuldete Schwächung von Twitter X natürlich aus. Meta hat deshalb erfolgreich Threads gestartet und auch TikTok versucht, daraus Kapital zu schlagen. Neu sind nun auch Text-Postings auf TikTok möglich.
  • Die Textbeiträge können zudem mit Stickern, Tags, Hashtags, Hintergrundfarben und Musik verschönert werden.

In der Schweiz wird kaum schweizerdeutsche Musik gehört

  • In den beiden letzten Newslettern habe ich über die neuesten Zahlen von Luminate berichtet und auch darüber, dass der Anteil englischsprachiger Musik kontinuierlich sinkt. Dies führt in den jeweiligen Ländern dazu, dass Musik in der Landessprache die Charts dominiert und englischsprachige Songs verdrängt.
  • Die Medien der TX Group haben nun von Luminate die Zahlen für die Schweiz erhalten, und hier zeigt sich ein klar anderes Bild.
  • Natürlich muss man vorausschicken, dass die Schweiz über vier Landessprachen verfügt, wovon drei (Deutsch, Französisch und Italienisch) relevant sind, was die Sache natürlich etwas verkompliziert. Trotzdem zeigt sich ein deutlich anderes Bild als etwa in Deutschland, Frankreich, Italien oder Polen.
  • Die dominanten Sprachen sind Englisch, Deutsch (aber nicht Mundart) und Französisch, die für 83% aller Streams verantwortlich sind. 60,7% der gestreamten Songs sind auf Englisch, der Anteil sinkt jedoch auch hier langsam aber stetig. Das gilt auch für Songs in deutscher Sprache, die noch 14,8% ausmachen.
  • Die weiteren Plätze belegen Spanisch (4,4%), Italienisch (2,1%), Albanisch (1,2%) und erst dann Schweizerdeutsch (1,1%).
  • Die Deutschschweizer hören also offensichtlich viel lieber englischsprachige und deutsche Musik als Songs in Mundart.
  • Konkret gab es im ersten Halbjahr 2023 62 Millionen Streams von Schweizerdeutschen Songs. Das ist verglichen mit Englisch (3,4 Milliarden) und Deutsch (833 Millionen) verschwindend wenig.
  • Allein 3,5 Millionen dieser 62 Millionen Streams gehen auf das Konto von “Juicy”, dem Hit von EAZ, der im Q1 auf Platz 15 der meistgestreamten Songs landete.
  • Klar ist: Allein mit der Mehrsprachigkeit der Schweiz lassen sich diese niedrigen Zahlen für Mundart-Musik nicht erklären.

Bonus Reads

  • Diese Woche steht Spotify im Fokus, deshalb passt auch dieser Artikel gut dazu. In dieser interessanten Analyse wird gezeigt, wie Spotify durch die Unterbindung des Passwort-Sharings ähnlich wie Netflix viele zusätzliche Einnahmen generieren könnte.
  • Ich schätze die Analysen von MIDiA bekanntlich sehr. Hier kommt nur ihre neuste Vorhersage für die Zukunft der Musikindustrie bis 2030.
  • Und gleich noch eine MIDiA Analyse. Für diese haben sie die Zukunft der Live-Musik-Industrie untersucht. Was sie herausgefunden haben, erfährst du hier.
  • Natürlich haben nicht nur Spotify, sondern auch zahlreiche andere Firmen ihre Quartalszahlen veröffentlicht, darunter Alphabet und somit auch YouTube. Nach drei Quartalen mit sinkenden Werbeeinnahmen geht es bei YouTube nun wieder bergauf. Diese liegen bei 7,665 Milliarden Dollar, was 4,4% mehr als im Vorjahr entspricht. Separate Zahlen für YouTube Music werden nicht veröffentlicht. Zudem wurde verkündet, dass 2 Milliarden eingeloggte User Shorts anschauen. Vor einem Jahr waren es noch 1,5 Milliarden.
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