Industry Groove – Woche 29
„Es ist davon auszugehen, dass TikTok Music in den kommenden Monaten in zahlreichen weiteren Märkten an den Start gehen wird“, schrieb ich letzte Woche in meinem Newsletter. Nun ging es sogar noch schneller als erwartet. Nachdem TikTok Music zunächst nur in Indonesien und Brasilien launchte, wo es eigentlich nur eine Namensänderung war, ist der Dienst nun in drei neuen Territorien gestartet: Mexiko, Singapur und mit Australien auch im ersten sogenannten “westlichen Land“. Es ist stark davon auszugehen, dass dies erst das Aufwärmen ist für den Launch in den lukrativsten Märkten von Europa und den USA.
Ebenfalls letzte Woche schrieb ich, dass der Start von TikTok Music sehr wahrscheinlich bedeutet, dass TikTok sich mit den drei Majors einigen konnte. Zumindest die Einigung mit Warner Music ist nun öffentlich geworden. Da Sony Music seinen Katalog wieder auf Resso/TikTok Music hochgeladen hat, ist anzunehmen, dass auch dort eine Einigung erzielt wurde oder kurz bevorsteht. Und schließlich kann man sich natürlich fragen, ob TikTok Music wirklich an den Start gegangen wäre, ohne dass der wichtigste Major, Universal Music, dies abgenickt hat. Ob TikTok Music aber auch Universals Vision von einem Artist-Centric-Modell teilt? Momentan sieht es nicht danach aus, da ihr Ökosystem eher zur Überflutung mit neuer Musik beiträgt. In der Mitteilung zum Deal mit Warner heißt es zumindest: „Darüber hinaus wird der Deal die gemeinsame Entwicklung zusätzlicher und alternativer Wirtschaftsmodelle beinhalten.“ Was dies wohl genau bedeutet? Es bleibt spannend!
Die Expansion von TikTok Music hat begonnen
- Wie bereits im Intro erwähnt, ist TikTok Music ab sofort in Mexiko, Singapur und Australien verfügbar. In allen drei Ländern wird es nur ein Premium-Angebot und kein werbebasiertes Gratis-Abo geben.
- Zum Start gibt es eine Beta-Phase und die Teilnehmer*innen erhalten den Service drei Monate kostenlos. Die Preise danach sind in etwa mit der Konkurrenz vergleichbar, TikTok Music versucht also nicht, diese zu unterbieten.
- Über eine weitere Expansion schweigt sich TikTok momentan noch aus. Sie geben aber immerhin bekannt, dass es diesbezüglich Neuigkeiten in den nächsten Monaten geben wird. Man darf gespannt sein, welche Märkte als nächstes avisiert werden.
- Weiter gaben TikTok und Warner Music bekannt, ihren Deal verlängert zu haben. Sie bezeichnen diesen als eine Erweiterung ihrer bisherigen Vereinbarung.
- Der Deal betrifft einerseits sowohl Warner Music als auch den Publishing-Ableger Warner Chappell. Und auf Seite ByteDance deckt der Deal TikTok, TikTok Music, CapCut sowie die „Commercial Music Library“ von TikTok ab.
- Wie zu erwarten, wurden keine Details publiziert. Es ist somit auch nicht bekannt, ob Warner nun einen prozentualen Anteil an den Werbeeinnahmen von TikTok erhält.
Deutscher Musikmarkt: Halbjahresbilanz mehrheitlich positiv
- Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat die Halbjahreszahlen der Umsätze der deutschen Musikindustrie veröffentlicht. Deutschland ist der viertgrößte Musikmarkt weltweit.
- Der Gesamtumsatz betrug 1,056 Milliarden Euro, was im Vergleich zum Vorjahr einem Wachstum von 6,6% entspricht.
- Satte 75,7% des Umsatzes steuerte das Streaming bei, was ein Plus von 9,7% bedeutet. Insgesamt machten die digitalen Angebote 82% der Umsätze aus, das ist ein Anstieg um 8,4%. Auch keine Breaking News: Die Umsätze mit Downloads sanken um 4,9%. Diese steuern gerade mal noch 2,1% zu den Gesamtumsätzen bei uns sind somit völlig irrelevant geworden.
- Weiterhin nicht völlig irrelevant sind hingegen physische Verkäufe. Diese steuern immerhin noch 18% zum Gesamtumsatz bei. Die Nachfrage sank nur um 0,8%, aufgrund des Wachstums des digitalen Bereichs ist der Anteil der physischen Verkäufe trotzdem gesunken. Im ersten Halbjahr 2022 betrug der Anteil der physischen Umsätze noch 19,8%.
- Der mit CDs generierte Umsatz sank um 4,1%, sie tragen damit noch 11,2% bei. Der Umsatz mit Vinyl stieg um moderate 6,3%, ihr Marktanteil sank trotzdem von 6,2% auf nun noch 6,0%.
Spotify for Artists: zusätzliche Infos zu Hörer*innen hinzugefügt
- Spotify wird berechtigterweise regelmäßig dafür kritisiert, dass sie nur einen Bruchteil der vielen Informationen, die sie über die Hörer*innen sammeln, mit den Künstler*innen teilen.
- Immer mal wieder wird daher Spotify for Artists aktualisiert und stückweise erhalten die Artists und ihre Teams ein wenig mehr Informationen. So wie jetzt mit dem neuen Tab „Segmente“.
- Diese zeigt dir, wie viele Hörer*innen du in den letzten zwei Jahren erreicht hast und unterteilt diese in drei Gruppe: Active Audience, Previously Active Audience sowie Programmed Audience.
- Oder mit den Worten von Spotify: “Du kannst jetzt den Wert deines Publikums in jeder Entwicklungsphase verfolgen – von den Hörer*innen, die deine Musik gerade erst entdeckt haben, bis hin zu deinen aktivsten und einflussreichsten Fans, die einfach nicht genug bekommen können.”
- Die Active Audience umfasst alle Hörer*innen, die deine Musik in den letzten 28 Tagen bewusst gehört haben, zum Beispiel über dein Artist-Profil, das Album oder ihre eigene Bibliothek oder Playlisten. Dieses Segment unterteilen sie weiter in Superfans. Moderate Hörer*innen sowie Gelegenheitshörer*innen.
- Previously Active Audience: Dies sind alle Hörer*innen, die einst zur Active Audience gehörten, aber in den letzten 28 Tagen keinen deiner Songs bewusst gestreamt haben. Möglich ist aber, dass sie deine Musik über programmierte Quellen konsumierten.
- Programmed Audience: Dies sind die Hörer*innen, die deine Musik nur über programmierte Quellen wie Editorial Playlists, algorithmisch erstellte Playlisten oder die Radio-Funktion gehört haben. Hier werden alle angezeigt, die mindestens einen deiner Tracks in den letzten zwei Jahren abgespielt haben.
- Ich wiederhole mich zwar, aber trotzdem soll es nicht unerwähnt bleiben, dass es nun wichtig wäre, den Artists eine Möglichkeit zu geben, direkt mit ihren Superfans in Kontakt zu treten oder auch die „Previously Active Audience“ wieder zu aktivieren.
Vinyl-Boom hält an, auch andere Formate wachsen
- In meinem Newsletter vergangene Woche habe ich bereits über den Halbjahresbericht von Luminate und die positiven Entwicklungen berichtet. Hier möchte ich nun einige zusätzliche Zahlen beleuchten, und zwar betreffend der verschiedenen Formate.
- Obwohl es zeitweise so aussah, als würde das Wachstum bei den Vinylverkäufen abkühlen, stieg es in den USA im Jahresvergleich um 21,7%. Damit wuchs Vinyl prozentual gesehen sogar stärker als das Streaming.
- Erstaunlich ist ebenfalls, dass abgesehen von den Downloads alle Formate ein Wachstum verzeichnen konnten, also auch die CDs, die um immerhin 3,8% wuchsen.
- Dies ist den K-Pop-Künstler*innen zu verdanken, die abgesehen von Taylor Swift alle Top-10-Plätze bei den CDs belegen. Frau Swift war es dann auch, die mit Abstand am meisten Vinyl-Alben verkaufte (Midnights verkaufte sich 251.000 Mal, Folklore 107.000 Mal).
- Insgesamt wurden im ersten Halbjahr in den USA 41,6 Millionen physische Alben verkauft, 13,3% mehr als im ersten Halbjahr 2022. 23,6 Millionen Vinyl-Alben und 17 Millionen CDs gingen über den Ladentisch, dazu immerhin noch 212.000 Tapes.
Es wird immer weniger englischsprachige Musik gehört
- Alle, die alt genug sind, können sich noch daran erinnern, dass vorwiegend US- und UK-Acts die Charts und Radios dominierten und auf den Festivalbühnen standen. Auch viele deutsche Acts sangen auf Englisch und es dauerte einen guten Moment, bis es vorstellbar wurde, auf Deutsch oder Schweizerdeutsch zu rappen.
- Diese Dominanz der englischen Sprache nimmt jedoch kontinuierlich ab, wie auch die jüngsten Zahlen des Luminate Reports zeigen.
- Generell ist ein Trend zu beobachten, dass die Musikindustrie zwar globaler ist als je zuvor. Zoomt man jedoch auf die einzelnen Märkte, ist wiederum eine Lokalisierung erkennbar. Ich zitiere: “Vor zwanzig Jahren waren die deutschen Charts nur eine Kopie der britischen und amerikanischen Kultur. Heute findet man alles deutsche Acts.”
- Von den 2022 weltweit konsumierten Songs sind noch 62,1% in englischer Sprache. Ein Jahr zuvor waren es noch 67,1%. Im ersten Halbjahr 2023 fiel diese Marke nun sogar auf 56,4%.
- Selbst in den USA fällt der Anteil der englischsprachigen Musik, obwohl dieser natürlich immer noch stolze 88,3% beträgt.
- Diese Zahl werde ich sicherlich weiterhin im Auge behalten, denn wenn der Trend so weitergeht, fällt der Anteil englischsprachiger Musik bald unter 50%.
Bonus Reads
- Water & Music bietet mit ihrem neuesten Paper eine gute Übersicht darüber, wie DSPs funktionieren und wie Künstler*innen bezahlt werden. Wenig Neues, aber gute Wiederholung und einige Denkanstöße.
- Pre-Saves sind bekanntlich ein wichtiges Mittel, um bereits vor dem Release für Welle zu sorgen und dann am Releasetag die Algorithmen zu stimulieren. YouTube Music hat sich nun mit Linkfire zusammengetan, um ebenfalls Pre-Saves anzubieten. Wie gewohnt wird das Release am Erscheinungsdatum in der Bibliothek der User gespeichert, zudem werden Daten mit dem Team der Artists geteilt. Anders als bei Spotify oder Apple Music ist man hier jedoch an eine Plattform – eben Linkfire – gebunden.
- Apple Music hat ein Feature lanciert, mit welchem die Hörer*innen Artists zu ihren Favoriten hinzufügen können. Sobald sie dies tun, erhalten sie Benachrichtigungen darüber, wenn du neue Musik veröffentlichst. Außerdem haben sie Zugriff auf deine Inhalte unter „Jetzt hören“ und erhalten verbesserte Musikempfehlungen basierend auf deinen Inhalten. Auf Apple Music for Artists findest du Vorlagen, um dein Profil über Social Media zu bewerben und Fans dazu zu animieren, es als Favorit zu markieren.
- Der Kollege Eamonn Forde argumentiert, dass die Wichtigkeit und Reichweite von DSPs (oder generell von Plattformen) nicht anhand ihrer Monthly Active User (MAU) gemessen werden sollte. Es gibt keine klaren Richtlinien zur Messung dieser Kennzahl und daher interpretiert jede Plattform sie so, wie es für sie am besten passt. Hier hat er wohl einen Punkt.