Industry Groove – Woche 28

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Wenn man von TikTok spricht, denken viele verständlicherweise primär an die App, die in den letzten Jahren die Social-Media-Landschaft umgepflügt hat. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die TikTok-Besitzerin ByteDance ein ganzes Ökosystem rund um TikTok aufgebaut hat. Auch wenn sie es selbst nicht so explizit sagen wollen, scheint es, als ob sie Musiker*innen ein Gesamtpaket bieten möchten, das Labels überflüssig macht. Obwohl sie betonen, selbst nicht als Label agieren zu wollen, ist die Stoßrichtung klar: Sie bieten mit Mawf und neuerdings Ripple Tools zur Musikerstellung an, SoundOn dient zum Vertrieb der Songs, TikTok selbst ist natürlich das Marketing-Tool für die Releases und konsumiert werden soll die Musik schließlich auf TikTok Music.

Genau, TikTok Music. Schon lange war klar, dass TikTok Music kommen würde, denn es hat schlichtweg zu viel darauf hingedeutet. Momentan ist das Ganze noch unspektakulär, in Indonesien und Brasilien, wo der Streamingdienst bislang Resso hieß, wird er zu TikTok Music umbenannt. Doch dies dürfte erst der Anfang sein. Jetzt, wo alle drei Majors, einschließlich Sony Music, ihren Katalog wieder auf Resso/TikTok Music anbieten, scheint es, als hätten sich ByteDance und die wichtigsten Player in der Musikindustrie über die Vergütung geeinigt. Damit dürfte der Weg für die Expansion frei sein und es ist davon auszugehen, dass TikTok Music in den kommenden Monaten in zahlreichen weiteren Märkten an den Start gehen wird.


TikTok Music ist hier

  • In Indonesien und Brasilien, wo der Streamingdienst von ByteDance bislang Resso heißt, ist TikTok Music nun am Start. Ab dem 5. September wird Resso in beiden Ländern vollständig eingestellt und die Benutzer können bis dahin zu TikTok Music wechseln. TikTok Music ist nur als Premium-Abonnement erhältlich, es gibt kein werbebasiertes Angebot.
  • In Indien, dem dritten Land, in dem Resso verfügbar ist, wird der Name beibehalten. Dies ergibt auch Sinn, da TikTok in Indien blockiert ist.
  • TikTok Music wird die Funktionalitäten von Resso übernehmen, neu ist jedoch, dass die User ihre TikTok- und TikTok-Music-Konten synchronisieren können. Dies ist ein überaus wichtiger Aspekt und die Verknüpfung der beiden Apps wird wahrscheinlich weiter ausgebaut werden.
  • Wie im Intro erwähnt, wird TikTok Music den Content aller drei Major Labels anbieten, da Sony Music ihre Releases wieder freigegeben hat. Auch dies ist wie erwähnt entscheidend, insbesondere für die Expansionspläne.
  • Lesenswert zu dem Thema ist auch die Analyse von Tatiana Cirisano für MIDiA. Wie ich bereits in diesem Artikel hervorgehoben habe, kann TikTok auf viel mehr Daten als Spotify zugreifen, die sich nicht einzig auf die gehörten Songs beziehen. Dies könnte einen starken Einfluss auf die Empfehlungen haben. MIDiA nennt dies “Cultural Graph“ und hält auch fest, dass dieses enorme Wissen über die User durchaus beängstigend ist.

Wird Threads zum “Twitter Killer“?

  • Wird die von Meta lancierte Kurznachrichten-Plattform Threads zur Bedrohung für Twitter? Die Zahlen lassen darauf schließen. Innerhalb von nur 7 Stunden registrierten sich 10 Millionen Nutzer bei Threads, während Twitter dafür 780 Tage benötigte, um dieselbe Anzahl zu erreichen. In weniger als fünf Tagen waren es dann bereits 100 Millionen, und dies wohlbemerkt noch ohne die User in der EU. Es dürften mittlerweile noch deutlich mehr sein.
  • Man sollte jedoch berücksichtigen, dass dies ein etwas unfairer Vergleich ist. Meta macht es den Nutzern sehr einfach, denn obwohl Threads eine eigenständige App ist, kann bzw. muss man sich mit seinem Instagram-Account einloggen und behält auch seinen Usernamen. Noch wichtiger: Man kann auch gleich seine Follower von Instagram mitnehmen, vorausgesetzt natürlich, dass diese Threads auch ausprobieren möchten.
  • Das sind keine guten Nachrichten für Twitter: Der Traffic sank bereits lange vor dem Launch von Threads. Der oft irrationale Kurs von Elon Musk hinterlässt seine Spuren.
  • Twitter zeigt bereits Anzeichen von Nervosität, so drohen sie bereits damit Meta zu verklagen. Weiter blockieren sie auch Links, die von Twitter zu Threads führen.
  • Wenn man als Musiker*in seine Audience vorwiegend auf Instagram hat, lohnt es sich sicherlich, auch auf Threads aktiv zu werden. Selbst wenn nur ein Teil der Insta-Follower auch Threads nutzt, erreicht man wohl schnell mehr Leute als bei Twitter.
  • Natürlich gibt es auch einige Negativpunkte. Etwas, das Meta mit Threads unnötig viele Daten seiner Nutzer*innen absaugt, was auch der Grund dafür ist, dass Threads momentan in der EU noch nicht verfügbar ist. Das ist natürlich für viele Musiker*innen ebenfalls ein Problem. Schließlich fehlt auch noch das eine oder andere praktische Feature, wobei man davon ausgehen kann, dass Meta dies früher oder später beheben wird.
  • Meta-Boss Mark Zuckerberg schwebt eine freundlichere Version von Twitter vor. Es wird jedoch berichtet, dass sich das übliche rechte Gesindel auch bereits für Threads angemeldet hat und wohl ausprobieren wird, wie weit sie gehen können, bevor sie gesperrt werden, was sie dann wieder ganz stolz auf ihren anderen Kanälen verkünden und sich selbst als Opfer darstellen können.
  • Meta hat schon so manche Standalone-App, die einen erfolgreichen Konkurrenten kopieren sollte, in den Sand gesetzt. Das kann natürlich auch jetzt wieder passieren. Für den Moment sieht es jedoch so aus, als hätten sie so einiges richtig gemacht und auch den passenden Zeitpunkt erwischt.

Globale Streamingzahlen wachsen weiterhin stark

  • Die US-Analysefirma Luminate veröffentlicht regelmäßig interessante Zahlen aus der Musikbranche und hat nun ihren Halbjahres-Report für das laufende Jahr veröffentlicht. Hier sind einige der interessantesten Zahlen:
  • Global gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 3,3 Billionen Streams, wenn Audio- und Video-Streams zusammengezählt werden. Das entspricht einem Wachstum von 30,8%. Wenn man nur die Audiostreams betrachtet, entspricht das Wachstum 22,9% und die Anzahl der Streams beträgt 2 Billionen.
  • Im größten Musikmarkt, den USA, stiegen die On-Demand-Streams um 15% auf 713,5 Milliarden. Wenn man nur die Audiostreams betrachtet, betrug das Wachstum 13,5% auf 616,5 Milliarden.
  • Betrachtet man nicht nur das Streaming, sondern die sogenannte „Total Album Consumption“ inklusive Downloads und physischen Verkäufen, ergibt sich in den USA ein Wachstum von 13,4%. Dabei zählen 1.250 Premium-Streams oder 3.750 werbebasierte Streams als ein Albumverkauf. Insgesamt wurden 538,9 Millionen Alben verkauft.
  • Der Anteil an Katalogmusik in den USA ist zudem weiter gestiegen, jedoch nur marginal von 72,4% in der ersten Hälfte 2022 auf 72,8% im ersten Halbjahr 2023. Als Katalogmusik gilt alles, was älter als 18 Monate zum Zeitpunkt des Streams/Kaufs ist.
  • Luminate berichtet weiter, dass sich die täglich auf die DSPs hochgeladenen Songs im ersten Halbjahr bei durchschnittlich 112.000 Songs pro Tag eingependelt haben.
  • Außerdem legt Luminate die Anzahl der Superfans in den USA bei 15 % fest. Nun wäre es wichtig, dass man diese auch über die DSP monetarisieren kann.

Bonus Reads

  • Im Newsletter der Woche 25 hatte ich berichtet, dass bisher kein Rap-Album oder -Song im Jahr 2023 die Spitze der US-Charts erreicht hatte. Dies hat sich nun geändert, da Lil Uzi Vert am 30.06. mit „Pink Tape“ auf Platz 1 gelandet ist. Allerdings war dies so spät wie nie zuvor seit 1993, als Cypress Hill mit „Black Sunday“ am 07.08. die Chartspitze eroberten (ja, das ist 30 Jahre her. Einige werden sich wohl nun alt fühlen, ich inklusive). Dan Runcie von Trapital wirft einen differenzierten Blick auf die Situation, entschärft die Thematik ein wenig und zeigt jedoch auch die Probleme, die hier auf HipHop zukommen werden.
  • Ari Herstand glaubt, dass sich Streaming-Betrug nicht mit dem gängigen Pro-Rata-Modell bekämpfen lässt, sondern nur mit dem User-Centric-Modell. Er hat daher ein flammendes Plädoyer für dieses geschrieben, obwohl er wohl selbst weiß, dass dieses aufgrund des fehlenden Supports der Majors und einiger DSPs wahrscheinlich einen sehr, sehr schweren Stand haben wird.
  • In Deutschland wurden die Anforderungen für Gold- und Platin-Auszeichnungen angepasst. Bei den Alben benötigt man nun weniger Verkäufe, bei den Singles hingegen mehr . Wir haben unseren Blogpost zu dem Thema entsprechend aktualisiert. Hier erfährt man auch, wie viele Streams man benötigt, um Edelmetall zu erhalten.
  • Wenn es um die Masse an Songs auf den DSPs geht, wird dies zuletzt immer wieder mit KI-Tools in Verbindung gebracht. Ein Beispiel dafür ist die seit 2017 existierende Plattform Mubert, die nun bekanntgegeben hat, dass mit ihrer KI 100 Millionen Songs erstellt wurden. 56 Millionen davon von den Usern. Das sind also etwa so viele Songs wie auf Spotify zu finden sind. Wie viele dieser Tracks auch tatsächlich gespeichert oder später sogar veröffentlicht wurden, wäre natürlich noch interessanter. Eine andere Plattform, Boomy, die 2019 gegründet wurde, steht aktuell bei 16,3 Millionen erstellten Songs. Und eigentlich sind wir ja erst am Anfang…
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