Industry Groove – Woche 19

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Für viele ist SoundCloud wohl weiterhin nicht viel mehr als die Plattform, auf der man seine Musik auch ohne Label oder Vertrieb hochladen kann. Natürlich spielt SoundCloud nicht in derselben Liga wie Spotify oder Apple Music, und sie haben auch ein etwas anderes Geschäftsmodell. Den Dienst nur als Nischenprodukt abzutun greift aber definitiv zu kurz. Dies nicht zuletzt, weil SoundCloud nicht vor Experimenten und Schritten zurückschreckt, die für die Musikindustrie als Ganzes wichtige Erkenntnisse bringen.

Während bei vielen DSPs eher Stillstand herrscht oder sie den Fokus vor allem auf ein Wachstum außerhalb der Musik legen, überzeugt SoundCloud mit innovativen Vorstößen. Da ist natürlich ihr User-Centric-Versuch, der wichtige Daten für oder auch gegen das System liefern kann. Und nun haben sie ein eigentlich längst überfälliges Tool lanciert, mit dem Künstler*innen ihre größten Fans direkt ansprechen können. Nicht wenige Artists werden sich wohl fragen, wieso sie diese Möglichkeit bei anderen DSPs nicht erhalten.

Hiermit verabschiede ich mich für zwei Wochen in den wohlverdienten Urlaub. Der nächste Industry-Groove-Newsletter erscheint am 01.06. und wird euch auf den neuesten Stand bringen über alles, was in der zweiten Maihälfte geschehen ist.


SoundCloud lässt dich deine Superfans kontaktieren

  • Im Newsletter der Woche 13 habe ich darüber berichtet, dass man auf Spotify for Artists nun seine Active Audience, also die aktivsten Hörer*innen, sehen kann. Ich habe kommentiert, dass dies zwar schön und gut ist, es aber noch besser wäre, wenn man diese direkt kontaktieren könnte. Genau diese Option bietet nun SoundCloud.
  • Das auf SoundCloud for Artists zu findende Tool, welches schlicht “Fans” heißt und in einer Beta-Version bereits von 10.000 Artists genutzt wurde, gibt den Künstler*innen mehr Daten über ihre Fans und ermöglicht es vor allem, DMs an seine Superfans zu senden und auch (exklusive) Tracks zu attachen. Diese Woche wurde die Möglichkeit nun auf 50.000 weitere Next Pro Künstler*innen ausgeweitet.
  • SoundCloud hat natürlich die Daten zu den Superfans nicht zuletzt, wegen ihres User-Centric-Versuchs, den sie Fan Powered Royalties nennen. Diese kombinieren sie nun mit Interaktionsdaten und Nutzerreichweite.
  • Gemäß SoundCloud können DMs genutzt werden, um neue Releases, exklusive Songs oder auch Liveshows zu promoten, Fans nach Feedback zu fragen, Merch zu verkaufen oder einfach generell eine direktere Verbindung zu den größten Fans herzustellen. Natürlich können die Fans auch entscheiden, keine solchen DMs zu erhalten.
  • In einem Blogpost schießt Tracy Chan, Senior Vice President von SoundCloud, ziemlich deutlich gegen die Konkurrenz: „Streaming-Dienste geben dir keine Auskunft darüber, wer deine Fans sind. Stattdessen betreiben sie Geschäftsmodelle, die darauf ausgelegt sind, dir Zugang zu deinen Fans zu verkaufen. Und die Streaming-Dienste sind nicht allein – auch Ticketing- und Merch-Plattformen werden dir nicht sagen, wer deine Fans sind. Das schmutzige Geheimnis der Musikindustrie ist, dass diese Plattformen von dir Inhalte und Verkäufe erwarten, um ihre Bilanzen zu fördern, aber sie weigern sich, dir zu sagen, wer deine Lieder hört (oder deine Tickets und Merchandise kauft).“
  • Nachdem der Fan-Powered-Royalties-Test anfänglich nur für Künstler*innen verfügbar war, die ihre Musik direkt über SoundCloud hochladen, wurde der Test in einem zweiten Schritt auf die Artists von Warner Music erweitert. Nun stossen auch die Labels und Vertriebe, die bei Merlin angeschlossen sind (darunter auch iGroove) dazu und partizipieren an dem User-Centric-Testlauf.

Begünstigt das Pro-Rata-Modell Streaming-Betrug?

  • Die Antwort auf die Frage im Titel ist relativ einfach: Ja. Es ist allgemein bekannt, dass das momentan von praktisch allen DSPs angewandte Verteilungssystem nicht dazu geeignet ist, Streaming-Betrug einzudämmen.
  • Das Thema kochte in den letzten Tagen wieder hoch, weil bekannt wurde, dass Spotify zahlreiche Songs entfernt hat, die mit dem Tool Boomy erstellt wurden. Zunächst wurde fälschlicherweise berichtet, dass die Songs entfernt wurden, weil es sich um KI-generierte Musik handelt. Der Grund war jedoch schlicht Streamingmanipulation.
  • Gemäß Medienberichten löschte Spotify auch zahlreiche weitere Releases, die nicht mit Boomy in Verbindung standen. Dass dies, was Spotify und andere DSPs erkennen, nur die Spitze des Eisbergs ist, ist jedoch längst bekannt.
  • In einem alarmistischen und wohl etwas übereilten Artikel auf MBW wird nun gefordert, das Pro-Rata-System sofort zu beerdigen.
  • Natürlich spricht der Artikel wichtige Punkte an. Etwa, dass Streamimingmanipulation zur Geldwäsche missbraucht werden könnte. Dass Kriminelle Teil des Systems sind zeigt sich etwa an den Drohungen, die Mitarbeiter*innen des Vertriebs Horus Music erhielten, nachdem sie Uploads blockierten. Oder auch, dass den ehrlichen Künstler*innen Millionen, wenn nicht gar Milliarden entgehen. Pro-Rata setzt den (Fehl-) Anreiz möglichst viele Streams zu generieren und nicht möglichst viele Hörer*innen zu erreichen.
  • Das Problem ist jedoch: Es gibt momentan kein Modell, auf das sich alle einigen können. User Centric hat am weitesten fortgeschrittene Tests, doch für dieses scheinen sich die Majors nicht erwärmen zu können. Universal schlägt ein Artist Centric Modell vor, welches nun bei Tidal und Deezer evaluiert wird. Bis es wirklich zu einem Systemwechsel kommt, wenn sich denn wirklich alle Player einig werden, wird noch einige Zeit verstreichen.
  • Passend dazu ist eine neue, von Pro Musik in Auftrag gegebene Studie zu User Centric erschienen. Diese basiert auf Zahlen des Fan Powered Royalty Programms von SoundCloud. Die Studie ergab, dass 25,5% der generierten Umsätze umverteilt würden, wenn User-Centric anstelle von Pro-Rata eingesetzt würde. 19% der analysierten Künstler*innen könnten ihre Einnahmen mindestens verdoppeln.
  • Die Diskussionen um eine neues Streaming-Modell werden zweifellos weitergehen und ich bleibe für dich am Ball.

TikTok testet Feature, welcher Musiker*innen mit Infuencern vernetzt

  • Im wohl noch sehr kleinen Rahmen testet TikTok derzeit ein Feature namens “Work with Artists“. Dieses wird folgendermaßen beschrieben: “Wähle einen bezahlten Musik-Task aus, der dich interessiert; erstelle ein Video mit diesem Lied und veröffentliche es. Je mehr Likes, Shares und Ansichten du erhältst, desto mehr verdienst du!”
  • Damit kann man es also umgehen, eine Agentur zwischenzuschalten, und man kommt direkt mit Influencern in Kontakt, die dann den Song in ihren Videos nutzen.
  • Bei dem Beispiel, das in den sozialen Medien kursiert, erhielt der am höchsten bezahlte Influencer der Kampagne 120 Dollar. Solche Beträge richten sich natürich hauptsächlich an Micro-Influencer, da größere Influencer für solche Beträge nicht einmal ihre Kamera einschalten würden.
  • Da es sich hierbei nur um einen Test handelt, der zudem nicht mal von TikTok selbst öffentlich gemacht wurde, ist natürlich völlig ungewiss, ob dieses Feature jemals für alle User ausgerollt wird. Es könnte jedoch für Musiker*innen durchaus interessant sein.

Wem gehört eigentlich Spotify?

  • Natürlich müssen sich Künstler*innen nicht zwingend dafür interessieren, wie die Besitzverhältnisse bei Spotify genau aussehen. Dennoch kann es hilfreich sein, um zu verstehen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden oder warum gewisse Dinge nicht umgesetzt werden.
  • MBW hat daher öffentlich zugängliche Dokumente zusammengetragen, um herauszufinden, wem Spotify gegenwärtig gehört.
  • Dabei haben sie hauptsächlich zwei Dinge festgestellt: Erstens halten die beiden Co-Gründer nach wie vor die Zügel fest in der Hand, und zweitens sind viele der Großinvestoren dieselben geblieben, trotz der Schwankungen, die die Spotify-Aktie in letzter Zeit durchgemacht hat.
  • CEO Daniel Ek hält den größten Anteil an Aktien, nämlich 16,5%. Der andere Co-Gründer, Martin Lorentzon, hält einen Anteil von 11,1%.
  • Dies sagt jedoch nur bedingt etwas aus über die Machtverhältnisse bei Spotify. Denn betrachtet man die stimmberechtigten Aktien, so hat das Gründerduo zusammen 74,3 %. Es geschieht also nichts bei Spotify, wenn Daniel und Martin es nicht wollen. Entsprechend sind es aber auch sie, die für Fehler geradestehen müssen.
  • Nach Daniel Ek ist die Investmentfirma Baillie Grifford mit 14,5 % der zweitgrößte Aktionär. Baillie Grifford gehört übrigens auch 4,48 % von Tencent Music Entertainment. Diese wiederum besitzen 8,6 % der Spotify-Aktien.
  • Weitere nennenswerte Anteile halten die Investment-Management-Firma Rowe Price & Associates mit 5 % sowie die Großbank Morgan Stanley mit 4,4 %. 3,3 % von Spotify gehören zudem der Universal Music Group, ein Deal, der bereits ausgiebig kritisiert wurde.

Bonus Reads

  • Spotify hat angekündigt, alle Daten, die älter als Juni 2020 sind, ab dem 1.7. von Spotify for Artists zu entfernen. Dies beeinträchtigt jedoch nicht den All-Time-Stream-Count deiner Songs. Bis zum 30.6. können die Daten noch heruntergeladen werden. Im Gegenzug wird es einige neue Features auf S4A geben.
  • Wer denkt, dass der Record Store Day nur ein Event für einige Vinyl-Nerds ist, sollte sich mal die eindrucksvollen Zahlen anschauen, die Luminate zusammengetragen hat. In der Woche des RSD wurden allein in den USA 1,809 Millionen Vinylalben verkauft. Das ist die viertstärkste Woche überhaupt seit 1991, dem Jahr, in dem Luminate begann, diese Daten zu erheben. Erfreulicherweise wurden 1,426 Millionen dieser Alben über Independent Plattenläden verkauft. Schöne Sache!
  • Bislang wird die Diskussion um ein neues Streaming-Modell vor allem mit Universal Music assoziiert, deren CEO die Debatte zusätzlich angestoßen hat. Doch auch Warner-Music-CEO Robert Kyncl machte nochmals unmissverständlich klar, dass er einen Systemwechsel befürwortet. “Es kann nicht sein, dass ein Ed Sheeran-Stream genauso viel wert ist wie ein Stream von Regen, der auf das Dach fällt“ und weitere knackige Statements sowie seinen Standpunkt zur KI-Musik findet ihr hier. Womöglich will er damit auch einfach nur ein bisschen von den mediokren Quartalsergebnissen ablenken.
  • Während westliche DSPs womöglich noch leichte Berührungsängste mit KI haben, sind diese in anderen Teilen der Welt definitiv nicht vorhanden. Anghami, der größte Streamingdienst im Nahen Osten und Nordafrika, hat schon längst KI-generierte Musik für seinen Dienst produziert. Nun kommen sie mit einer Weltneuheit: KI-Podcasts, maßgeschneidert auf die Interessen des Users.
  • Vor drei Jahren wurden sogenannte Fan Packs, die Kombination von Alben und Merchandise, von den Billboard Charts ausgeschlossen. Nun feiern sie ihr Comeback, jedoch sollen einige Regeln verhindern, dass es erneut zu Verzerrungen kommt. Wieso diese nun im Juli wieder eingeführt werden und was die Guidelines sind, zeigt dieser Artikel.

Deepfakes der Woche

  • Viele staunen wohl immer noch über die Deepfakes, die derzeit die Runde machen. Nun, wir sollten eigentlich nicht überrascht sein. Dieses Video ist bereits ein Jahr alt und nimmt eigentlich schon alles vornweg, was wir jetzt gerade erleben.
  • Snoop Dogg lässt Michael Jackson «Down for my N’s» von C-Murder rappen und kommentiert dies mit „This Shit is outta hand!“.
  • Timbaland hatte nie die Gelegenheit, mit The Notorious B.I.G. zu arbeiten. Nun hat er einen Track mit KI-Biggie auf Twitter geteilt und dafür nicht nur Liebe zurückbekommen.
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