Industry Groove – Woche 5
Im ersten Newsletter dieses Jahres berichtete ich darüber, dass der Universal-CEO Lucian Grainge ein neues Streaming-Modell fordert und nun ist dies bereits der vierte Newsletter in Folge, in dem ich das Thema behandle. Dies zeigt, dass es Sir Grainge gelungen ist eine Diskussion zu lancieren und das Thema definitiv eine große Dringlichkeit hat. Während MBW in einem sehr lesenswerten Artikel verschiedene mögliche Modelle vorstellt, wird Universal bereits konkret indem sie sich TIDAL als Versuchskaninchen Partner ausgesucht haben.
Wieso TIDAL kann man sich fragen. Natürlich ist es reine Spekulation aber womöglich ist TIDAL als eher kleiner DSP ein wenig agiler und somit geeigneter für solche Tests. Vielleicht spielen auch kleine Machtspielchen seitens Universal gegenüber Apple Music und Spotify eine Rolle. Und wenn wir schon bei Spotify sind, die haben die Zahlen des vierten Quartals und somit auch des gesamten Jahres 2022 veröffentlicht. Sagen wir es mal so: Licht und Schatten wechseln sich ab. Gute Lektüre wünsche ich.
Wie könnte ein neues Streaming-Modell aussehen, Pt. 2?
- Abgesehen hat es Grainge auf Fraud-Streams, sogenannte Fake Artists, also anonyme Künstler*innen, die primär Mood-Playlisten bedienen sowie die sogenannte „functional music“, also häufig 31-sekündige Tracks zum Relaxen, Schlafen, etc..
- Universal ist unzufrieden mit dem aktuellen Pro-Rata-Modell, findet aber auch das User-Centric-Modell habe zu viele Nachteile. MBW führt 5 Modelle auf, die in Frage kämen.
- Dieses Modell habe ich bereits früher erwähnt. Hier werden aktive Streams, also wenn man nach dem Song sucht oder ihn liked, besser bezahlt als passives Hören etwa über die Radio-Funktion.
- Beim Pro-Rata-Temporis-Modell würde mehr ausbezahlt, wenn Tracks länger angehört werden. Momentan erhält ein Artist gleich viel, egal ob der Song 31 Sekunden oder 5 Minuten gehört wird. Aber natürlich würden dann viele Player einfach die Länge ihrer Songs anpassen, dann hat man halt anstatt 31 Sekunden plötzlich 5 Minuten Regengeräusche.
- Je mehr Streams ein Artist hat, desto weniger erhält er pro Stream. So die Idee dieses Modells, welches die Einnahmen gerechter verteilen will. Die Majors werden aber kaum dafür zu gewinnen sein.
- Das vierte Modell setzt auf Mikrozahlungen der Fans an die Künstler*innen. Als Beispiel genannt wird Bandcamp, jedoch gibt es das Tipping-Feature auch schon bei Spotify, ohne wirklich erfolgreich zu sein.
- Womöglich favorisiert Universal aber auch ein Modell, welches auf verschiedenen Tiers basiert und man sich ähnlich wie beim TV sein eigenes Package zusammenstellen kann.
- Definitiv ein sehr interessanter Artikel, der erneut zeigt, dass es durchaus Alternativen gäbe im Bereich Streaming.
Universal testet mit TIDAL neue Optionen
- Universal will die Diskussion um ein neues Streaming-Modell ganz offensichtlich nicht bloß anstoßen, sondern aktiv mitgestalten. Gemeinsam mit TIDAL machen sie sich nun auf die Suche nach einem neuen, innovativen und wirtschaftlichen Modell.
- Alles beginnt erstmal mit Recherche und dem Ziel herauszufinden, wie Streamingplattformen durch Fan-Engagement größeren kommerziellen Nutzen für alle Arten von Künstler*innen schaffen können.
- Um sich ganz darauf konzentrieren zu können, wird TIDALs Experiment mit User-Centric vorläufig auf Eis gelegt. Ich hoffe nur, dass sie sich damit nicht die Möglichkeit eines Direktvergleichs zwischen dem dominieren Pro-Rata-Modell, User Centric sowie einem neuen Modell verbauen.
- Nun stellt sich natürlich die Frage, ob ähnliche Tests auch mit den größeren DSPs angedacht sind.
- Ebenfalls bleibt unklar, inwiefern andere Player involviert werden, wie etwa Verlage aber auch Merlin als Vertreter der Independent-Industrie sowie weitere unabhängige Labels.
- Ich persönlich bleibe leicht skeptisch, wenn die Veränderung von einer börsenkotierten Firma vorangetrieben wird, die als größter Major naturgemäß vor allem die eigenen Interessen im Blickfeld hat, allen schönen Worten zum Trotz. Natürlich lasse ich mich hier aber gerne eines Besseren belehren.
Spotify hat nun über 200 Millionen zahlende Subscriber
- Seit dem letzten Quartal hat Spotify 10 Millionen neue zahlende Subscriber gewonnen und damit haben sie nun die 200 Millionen-Marke durchbrochen. Die 205 Millionen Subscriber stellen ein Wachstum von 25 Millionen bzw. 14% gegenüber dem Vorjahr dar.
- Das werbebasierte Angebot wird von 295 Millionen Nutzer*innen genutzt, 25% mehr als ein Jahr zuvor.
- Total hat Spotify 489 Millionen aktive monatliche Hörer*innen (MAUs), 33 Millionen mehr als im Q3 und 20% mehr als 2021. Über das ganze Jahr sind 83 Millionen aktive Hörer*innen dazugekommen (ohne den Rückzug aus Russland wären es 88 Millionen, sagt Spotify).
- Ebenfalls gehörig gewachsen ist ihr Umsatz im Q4 und zwar um 18% auf 3,17 Milliarden Euro.
- Die Subscriber-Umsätze wuchsen um 18% auf 2,72 Milliarden Euro.
- Ebenfalls zweistellig gewachsen und zwar um 14% sind die Werbeumsätze auf 449 Millionen Euro.
- Über das gesamte Jahr betrachten liegen die Umsätze bei 11,73 Milliarden Euro, 21% mehr als im Vorjahr.
- Bei solch eindrücklichen Zahlen wird Spotify sicherlich Gewinne geschrieben haben oder? Nicht ganz. Alleine im Q4 betrug der Nettoverlust 231 Millionen Euro, über das ganze Jahr betrachtet sind es 430 Millionen Euro.
- Die Herkunft der Kund*innen hat sich in den letzten fünf Jahren verschoben. Der Anzahl User aus Europa (von 36% auf 30%), Nordamerika (von 30% auf 21%) und selbst Südamerika (von 22% auf 21%) nimmt ab. Stark gewachsen ist der sogenannte „Rest of the World“ und zwar von 12% auf 28%, womit sie wohl bald die Spitze übernehmen werden.
- Etwas anders sieht es bei den zahlenden Usern aus. Hier fielen die Zahlen für Europa (von 40% auf 39%) und Nordamerika (von 30% auf 28%) nur minim und Südamerika wuchs leicht von 20% auf 21%. Der „Rest of the World“ wuchs in diesen fünf Jahren nur gerade von 10% auf 12%.
- Im ersten Quartal 2023 will Spotify dann die Schallmauer von einer halben Milliarde aktiver User durchbrechen.
Google hat eine Musik-KI erschaffen – veröffentlicht sie aber (noch) nicht
- Letzte Woche habe ich in meinem etwas ausufernden Intro über Google geschrieben und auch über die Pläne berichtet, zahlreiche KI-Projekte zu veröffentlichen in diesem Jahr.
- Nun wurde mit MusicLM eines dieser Projekte vorgestellt. Dieses erstellt Songs nur basierend auf einer textlichen Beschreibung.
- Trainiert wurde MusicLM mit 280.000 Stunden Musik und natürlich liegt hier auch bereits ein Problem, nämlich das Copyright. Google scheint es jedoch bewusst zu sein, dass die Frage, wie man mit den Songs, die für das Training der KI genutzt wurden, umgehen soll, noch ungeklärt ist.
- Gut möglich, dass es jedoch bald mehr Klarheit gibt, da bereits einige Fälle bei den Gerichten liegen.
- Auch wenn das Tool noch nicht veröffentlicht wurde, kann man hier bereits nachprüfen, wie sich das anhört.
- Wie sehr ChatGPT Google Feuer unter dem Arsch gemacht hat, zeigt sich auch daran, dass bereits Tests laufen, welche die Suchmaschine mit KI-Elementen verbinden sollen.
Bonus Reads
- Instagram machte alle zu Fotograf*innen, TikTok später alle zu Videograf*innen. Die Kreation von Musik war dafür bislang zu komplex, doch dies könnte sich mit KI ändern, wie dieser MIDiA Artikel eindrücklich darlegt.
- Die australische Firma Jaxsta, die sich als weltweit größte Database für Music Credits bezeichnet, hat eine Liste mit den 100 erfolgreichsten Produzent*innen des vergangenen Jahres erstellt. Gemessen wurde dies an den Chartplatzierungen, Spotify Streams, Grammy-Gewinnen und -Nominationen, Edelmetallauszeichnungen sowie der Anzahl Producer Credits über das Jahr hinweg.
- Auf Spotify gibt es unzählige New Music Fridays. Die Website www.superfridaychart.com fasst diese zusammen und erstellt eine Rangliste mit den Künstler*innen, die in den meisten New Music Fridays dieser Woche zu finden sind und zeigt auch, wie viele Follower die Playlists insgesamt haben. Ziemlich praktisch, wie ich finde.
- Die Streamer auf Twitch haben vergangenes Jahr über 1 Milliarde verdient. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Channel Subscriptions, Trinkgeldern sowie Beteiligungen an Werbeeinnahmen. Bekanntlich haben gerade während der Pandemie viele Musiker*innen das zu Amazon gehörende Twitch für sich entdeckt.
- Der Guardian fragt sich, ob Bands ausgedient haben und nur noch Solokünstler*innen die (Single-) Charts dominieren. In den Top 100 Singles in UK von 2022 sind nur gerade vier Bands zu finden.